Homestay im Dorf – Indien 10
Wir sind mit einem Fahrer von Ahmedabad in ein Dorf in der Nähe von Zainabad gefahren. Eigentlich wollten wir das zuerst per Zug und Bus lösen aber das war uns nicht möglich zu organisieren. Blöd an der ganzen Sache, die Adresse stimmte nicht mit dem Punkt, der auf der Karte angegeben war, überein. Wir haben den Punkt auf der Karte in unserer Taxi-App gewählt und tatsächlich war dieser auf ca 100m genau, die Adresse wäre ca 20km entfernt in der übernächsten Stadt gewesen. Um sicher zu gehen, führten wir auf dem Weg noch gefühlte 30 Telefonate. Die Ortsangabe “Near the temple“ ist in Indien so gut wie unbrauchbar, denn Tempel gibt es an jeder Ecke.
Wie kam es überhaupt dazu? Wir wollten eine Safari im Little Rann of Kutch machen. Vom Ressort, das die Safaris anbietet, bekamen wir keine Antwort, ob noch Zimmer frei sind, also buchten wir einen Homestay und landeten im Haushalt einer Omi mitten am Land. Da wir kein Hindi können und im Dorf fast niemand richtig Englisch, war die Verständigung ein wenig schwierig.
Die Gastfamilie war sehr fürsorglich und freundlich. Im Prinzip haben wir alles bekommen was man benötigt. Zu Abend haben wir gemeinsam mit der Familie auf dem Fußboden im Freien vor unserem Zimmer gegessen. Das erste Mal musste ich tatsächlich mit der Hand und ohne Besteck essen. Immerhin landete 85% des Essens in meinem Mund und nicht am Boden oder auf meiner Kleidung. Für uns Gäste wurde sogar extra ein Tuch auf den Fliesenboden gelegt, damit wir darauf sitzen konnten.
Die Enkelin führte uns durchs Dorf und bis wir am letzten Tempel ankamen, begleitete uns vermutlich die gesamte Dorfjugend. Nach dem Abendessen ein ähnliches Bild, ich dachte mir kurz: „Jetzt kann ich ein wenig ausspannen“, aber dem war nicht so. Erst kam die Enkelin, im Schlepptau hatte sie eine Freundin, ins Zimmer und Zack! waren plötzlich 20 Leute im Raum und uns wurden allerhand Fragen gestellt: „Seid ihr verheiratet?“,“habt ihr Kinder?“, „hast du ein Foto von deinem Vater auf dem Handy?“, „wie viele Geschwister hast du?“, „besitzt du ein Auto?“, „wie teuer war dein Smartphone?“, „was arbeitest du?“, „wurde eure Heirat arrangiert“, „magst due traditionelle indische Tänze?“, etc, etc.. Kurz vor 22 Uhr sprach eine der älteren Frauen ein Machtwort und plötzlich waren alle weg.
Da wir in der Früh zur Vogelsafari zeitig los mussten, wurden wir von der Omi um 5:30 Uhr geweckt. Sie hatte uns schon heißes Wasser am Feuer vor dem Haus warm gemacht, damit wir uns in der Früh waschen konnten. 10-15 Liter Wasser reichen vollkommen zum Duschen, wenn man nicht mehr hat. Wenn das Wasser kalt ist, komme ich sogar mit der Hälfte aus, wie ich auf dieser Reise ebenfalls schon unter Beweis gestellt habe. Wobei Duschen der falsche Begriff ist, man schöpft aus einem Eimer Wasser mit einem kleineren Becher und kann sich das dann über den Körper schütten.
Das Aufenthalt war ein ziemliches Erlebnis und bot uns einen kleinen Einblick in das tatsächliche Leben eines indischen Haushalts am Land.
Unsere Abreise gestaltete sich vermutlich ziemlich spektakulär für unsere Gastfamilie, da wir die zweite Nacht dann im Ressort verbrachten und wir ziemlich überstürzt abreisten. Der Ressortmanager hatte uns eine Mitfahrt im öffentlichen Bus organisiert, der in Zainabad normalerweise gar nicht hält. Es gestaltete sich um Welten einfacher seine Hilfe in Anspruch zu nehmen, als es uns mit unserer Gastfamilie auszuschnapsen, dass uns diese rechtzeitig zur richtigen Kreuzung bringt, um den Bus zu stoppen, sofern uns das überhaupt gelungen wäre.
Jedenfalls kamen wir am Abend im Dunkeln nach unserer Safari in die Salzwüste an, schnappten unser Gepäck, führten Telefonate, damit jemand der Gastfamilie erklärt was los ist, schrieben auf ein Blatt Papier unsere Empfehlungen, machten ein paar Gruppenfotos, stiegen in den Jeep und weg waren wir. Es war eine sehr pragmatische Entscheidung das so handzuhaben.